Aktionärspoker darf nicht die Zukunft des Universitätsklinikums Gießen-Marburg gefährden

Bild: Angelika Aschenbach

Die Vorsitzende der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag und der SPD in Hessen, Nancy Faeser, hat davor gewarnt, dass das Universitätsklinikum Gießen-Marburg (UKGM) im Übernahmepoker zwischen den Klinikkonzernen Rhön und Asklepios Schaden nehmen könnte. Asklepios hat angekündigt, die Rhön-Klinikum AG, die 95 Prozent am UKGM besitzt, zu übernehmen. Allerdings stellt der Rhön-Minderheitsaktionär B. Braun Melsungen, der mit 25,2 Prozent der Rhön-Aktien über eine Sperrminorität verfügt, hohe Vorbedingungen.

Nancy Faeser rief die Beteiligten auf, sich rasch auf eine einvernehmliche Lösung zu verständigen und die wechselseitig erhobenen Maximalforderungen fallenzulassen. Sie sagte: „Das ‚Produkt‘ der Konzerne Rhön und Asklepios ist nicht irgendein beliebiges Wirtschaftsgut, sondern die Gesundheit von Menschen. Deswegen tragen die Eigentümer eine besondere Verantwortung. Der aktuelle Streit um den Rhön-Konzern verunsichert alle Beschäftigten in den beteiligten Unternehmen und auch die Patientinnen und Patienten der betroffenen Gesundheitseinrichtungen. Das ist in niemandes Interesse. Ich halte es für mindestens fahrlässig, mitten in der Covid-19-Krise, die eine nie dagewesene Herausforderung für unser Gesundheitssystem darstellt, in der Krankenhausbranche einen solchen Streit anzuzetteln.“

Faeser sagte, sie sorge sich insbesondere um das UKGM, das sich seit der missratenen Privatisierung durch die CDU-geführte Landesregierung unter Roland Koch in schwerem Fahrwasser befinde. „Das UKGM ist ein Leuchtturm der medizinischen Versorgung, der Forschung und der Lehre in Hessen. Die Arbeitsbedingungen und die Patientenversorgung dort haben nachweislich gelitten, seit die Klinik privatisiert und den Renditezielen einer Aktiengesellschaft untergeordnet wurde. Im öffentlichen Interesse muss verhindert werden, dass das UKGM durch den Streit von Asklepios und Rhön mit B. Braun Melsungen erneut in Mitleidenschaft gezogen wird“, forderte Faeser.

Es sei „ein riesengroßer Fehler“ der Landesregierung gewesen, dass sie die Option, das UKGM für das Land zurückzukaufen, nicht genutzt habe, kritisierte die SPD-Fraktionsvorsitzende. Diese Möglichkeit hätte bis Ende 2019 bestanden. „Aber Schwarzgrün hat das nicht einmal in Erwägung gezogen – trotz der bekannten Probleme, die durch die Privatisierung entstanden sind“, so Faeser. Sie erwarte von der Landesregierung allerdings, dass diese nun den beim Land verbliebenen Anteil von fünf Prozent am UKGM und ihren gesamten politischen Einfluss geltend mache, um das Universitätsklinikum vor negativen Folgen des Fusionspokers zu schützen.

Faeser äußerte Verständnis dafür, dass man bei B. Braun verärgert sei über die Art und Weise, in der Asklepios die Übernahme der Rhön-Klinikum AG zunächst im Geheimen betrieben und dann überraschend publik gemacht habe. „In dem Versuch von Asklepios, den Großaktionär B. Braun bei der Übernahme von Rhön auszubooten, kann man durchaus schlechten Stil erkennen“, sagte Faeser, „aber als Wirtschaftsanwältin kann ich auch sagen: Emotionale Reaktionen helfen in einer solchen Situation nicht wirklich weiter.“

Faeser stellte fest, der aktuelle Streit um die Rhön-Klinikum AG gebe erneut Anlass, die Privatisierung von grundlegenden Bestandteilen des Gesundheitssystems kritisch zu hinterfragen. Denn eine optimale Krankenversorgung und eine optimale Unternehmensrendite schlössen einander aus. „Den Preis für die Gewinne der Gesundheitskonzerne zahlen am Ende die Patientinnen und Patienten, die Ärztinnen und Ärzte, die Pflegerinnen und Pfleger. Wir müssen ernsthaft darüber diskutieren, ob es im Sinne des Gemeinwohls ist, die Gesundheitsversorgung nur unter markt- und betriebswirtschaftlichen Aspekten zu betrachten. Ich persönlich habe daran jedenfalls berechtigte Zweifel“, sagte Nancy Faeser.