Seit der verhängten Stallpflicht haben viele Geflügelzüchter ihre Bestände drastisch reduziert. Der SPD-Landtagsabgeordnete Tobias Eckert sieht deshalb eine Gefahr für den Erhalt seltener Geflügelrassen.
Nordrhein-westfälisches Federvieh kann vielerorts durchatmen: Die Stallpflicht gilt nur noch in Kommunen mit besonders viel Geflügel. Hessen beharrt derweil auf dem flächendeckenden Stallarrest, um die Vogelgrippe einzudämmen. Das ärgert die SPD-Landtagsfraktion. Die landesweite Stallpflicht für Geflügel gefährdet nach Ansicht des SPD-Landtagsabgeordneten Tobias Eckert den Erhalt alter Geflügelrassen. Seine Fraktion hat deshalb einen dringenden Berichtsantrag gestellt. Die SPD erwartet am morgigen Donnerstag in der Sitzung des Umweltausschusses Antworten von Umweltministerin Priska Prinz auf einen 23 Punkte langen Fragenkatalog.
Die Rassegeflügelzucht habe im Landkreis Limburg-Weilburg eine lange Tradition und erfreue sich ungebrochener Beliebtheit, schreibt der SPD-Landtagsabgeordnete. Die Zucht diene der Erhaltung alter Geflügelrassen und sei nur in freier extensiver Haltung möglich. Derzeit allerdings gingen viele Zuchttiere verloren wegen der verhängten Stallpflicht.
Aus federführender Sicht bestätigt Klaus Klebach diese Befürchtung: Der Hadamarer gehört zum Vorstand des Geflügelzüchter-Kreisverbandes und war bis zum vergangen Jahr Vorsitzender. In der Regel würden die Puten, Zwerghühner oder Gänse im Freien gehalten. Seit Mitte November nun müssen sie in den Ställen ausharren. Klebach: Das geht einfach nicht. Erst recht nicht bei Wasservögeln wie Gänsen oder Enten. Sie können doch keinen Teich in den Stall bauen. Die Konsequenz: Schlachten und ab in die Kühltruhe. Die Bestände seien um gut ein Viertel reduziert worden, schätzt Klebach.
Hähne werden knapp
Der Hadamarer hält seit seinem zehnten Lebensjahr Geflügel, eine Leidenschaft, die er vom Großvater geerbt hat. Nur während der Ausbildung an einem anderen Ort musste er auf Tiere verzichten. So etwas wie jetzt hat er noch nicht erlebt. Bis zum November hielt Klebach drei Rassen. Die schwersten Tiere im Stall, die Cröllwitzer Puten, hat er geschlachtet. Fünfeinhalb bis sechs Kilo schwere Vögel im Stall einzupferchen, sei nicht möglich. Nach seiner Kenntnis gibt es nun höchstens noch einen Züchter im Landkreis, der Cröllwitzer Puten hält wenn überhaupt. Klaus Klebach ist einer von nur noch drei Züchtern in Hessen, die Frankfurter Zwerghühner halten die nach seinen Worten einzige hessische Zwerghühner-Art. Aber deren Zahl musste er aus Platzgründen ebenso reduzieren wie die Wyandotten-Zwerghühner. Jeweils oder einen oder zwei Stämme hat er von den Zwerghühnern behalten sowie einen Ersatzhahn. Ein Stamm besteht aus einem Hahn mit einer Handvoll Hennen.
Genau diese Reduzierung auf das Minimum dürfte aber für viele zum Problem werden, erklärt Klebach. Wenn einem Züchter ein Hahn starb, konnte er sich immer noch ein Tier vom Nachbarn holen. Wenn aber alle nur noch jeweils einen Hahn haben: Wo soll der Ersatz herkommen?
Und noch etwas ärgert Klebach: Als Züchter muss er eine Tierseuchenabgabe zahlen: Fünf Euro nochwas im Jahr. Im Schadensfall jedoch bekomme er als Hobbyzüchter keinen Cent.
Anders sieht die Rechnung aus für Heinz Sabel, den Mann mit den größten Vögeln im Landkreis: 46 Sträuße leben derzeit auf seiner Straußenfarm in Thalheim. Sie laufen wie eh und je über durch das Freigehege. Sträuße sind Laufvögel, die sich nicht einfach wegsperren lassen.
Ausnahme für Strauße
Sabel konnte deshalb eine Sondergenehmigung erreichen. Als die Verfügung über die Stallpflicht herauskam, marschierte er gleich ins Kreishaus. Das Kreisveterinäramt verständigte sich mit dem Ministerium und verhängte Auflagen. Dazu gehört ein Betretungsverbot für Fremde und Schutzkleidung für Mitarbeiter. Alle drei Wochen muss Sabel Kotproben seiner Tiere untersuchen lassen. Blut und Fleisch von zum Verzehr bestimmten Vögeln muss ebenfalls untersucht werden. Die Mehrkosten bekommt Sabel aus der Tierseuchenkasse erstattet. So können er und seine Vögel durchatmen. Die Alternative wäre für Sabel klar gewesen: Ich hätte einen Großteil abschaffen müssen. Besucher können die ungewöhnlichen Vögel auch vorläufig nur aus der Ferne betrachten, statt Küken zu streicheln.
Der SPD-Landtagsabgeordnete Tobias Eckert besucht regelmäßig Geflügelschauen und unterstützt den dringlichen Antrag seiner Landtagsfraktion. Zwischen den Zeilen des Antrages klingen Kritik und Zweifel durch an dem landesweiten Stallgebot. Federführend in diesem Verfahren war das Friedrich-Löffler-Institut. Die SPD fragt nun, ob dieses Institut tatsächlich eine landesweite Stallpflicht gefordert habe. Zu klären sei auch, wieso die Stallpflicht auch für alte Geflügelrassen angeordnet wurde, obwohl bekannt sei, dass die Haltung dieser Rassen nur in freier extensiver Haltung möglich sei.
Ich hoffe sehr, dass die Landesregierung infolge des dringlichen Berichts-Antrages der SPD im Ausschuss für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz umfassend berichtet, schreibt Eckert. Dabei sollte auch die Frage geklärt werden, wann die heimischen Vereine und Züchter endlich wieder Geflügelausstellungen in Hessen ohne Einschränkungen durchführen können.
Nordrhein-Westfalen hat das Aufstallungsgebot übrigens in der vergangenen Woche abgemildert: Kommunen mit einer Geflügeldichte unter 300 Stück pro Quadratkilometer gelten als Nicht-Risikogebiete.
Info: 200 aktive Züchter
Nach Angaben von Klaus Klebach zählen die Geflügelzüchter-Vereine im Landkreis Limburg-Weilburg aktuell 998 Mitglieder . Darunter seien etwa 200 aktive Züchter.